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EBSW - Wort auf den Weg 2/2019

„Siehst du mich, Gott?“

Beim Fachtag des EBSW am 5. April 2019 im Hospitalhof Stuttgart hielt Landesbischof Dr. h.c. Frank Otfried July den einleitenden Vortrag: „Siehst du mich, Gott?“ Dabei beleuchtete er verschiedene Aspekte des christlichen Glaubens und setzte diese in Beziehung zur Erfahrung von Einsamkeit, dem diesjährigen Thema des Fachtags. Unser „Wort auf den Weg“ ist eine Zusammenfassung dieses Vortrags von Pfarrer Dr. Eberhard Grötzinger. Dr. Grötzinger ist Vorstandsmitglied des Evangelischen Blinden- und Sehbehindertendiensts Württemberg (EBSW).

Was bedeutet für uns Glauben? Es bedeutet zunächst: sich an der Hand nehmen zu lassen. Wie ein blinder Mensch dankbar ist, wenn ihn jemand in einer ihm fremden Umgebung begleitend führt, so bedeutet Glauben für Blinde und Sehende gleichermaßen, dass wir lernen, uns auch einmal an der Hand nehmen zu lassen. Uns leiten zu lassen von dem guten Gott, der uns in unserem Leben auch Wege führt, die wir nicht von Vornherein überblicken. Glauben bedeutet: den Sprung ins Vertrauen wagen. Im Dunkeln Gottes Hand ergreifen. Schritte wagen auch ins Ungewisse. Die Sorge um unser Sein Gott anvertrauen.

Glauben bedeutet für uns zweitens, darauf zu vertrauen, dass Gott uns sieht. Er sieht mich an. Er setzt sich zu mir in Beziehung. Auch dort, wo ich in Einsamkeit verharre. Gott gibt nicht auf. Er sucht uns. Er stellt sich uns zur Seite.

Einer der ältesten Gottesnamen für den Gott Israels, die wir kennen, ist „El-roi“. Das bedeutet: Gott, der sieht. Diesen Namen hat die verstoßene Magd Hagar Gott gegeben: „Du bist ein Gott, der mich sieht.“ Ein Satz mitten aus der tiefsten Wüste ihres Lebens. Als sie sich von Gott und Menschen verlassen fühlte. Gerade da geschah das Wunder, dass sie Gott bei sich erkannte. Dass Gott sich ihr zeigte, ihren Durst löschte und sie aufrichtete.

Diese Erfahrung, dass Gott da ist, dass wir seinen Blick spüren, kann man nicht verallgemeinern und nicht vorwegnehmen. Denn manchmal, da bleibt sie schmerzlich aus. Wenn das Dunkel finster bleibt und unser Gebet scheinbar ins Leere geht, „dann gibt es dennoch den einen Trost, der für mich der einzige Trost ist in manchen Situationen meines Lebens und auf der Welt“, sagte Bischof July. Auch in der Nacht der Angst, der Finsternis des Todes, wo wir rufen: „Mein Gott, warum hast Du mich verlassen“ – da ist doch unser Herr Jesus Christus ganz nahe. Er selbst hat diesen Schrei ausgestoßen, damals in der Finsternis des Karfreitags. Christus ist anwesend selbst da, wo wir die sichtbare Hilfe Gottes schmerzlich vermissen. An ihm halten wir uns fest, wenn kein Licht mehr zu uns dringt, an Christus, dem Gott, der uns nahe ist. Keiner, dessen Leid er nicht sähe. Keiner, dessen Elend ihn nicht erfasste. Christus sieht. Christus versteht. Christus kennt die Dunkelheit. Und Christus zieht uns letztlich aus der Finsternis ins Licht.

Glauben bedeutet für uns drittens, von Gott als ein anderer angesehen werden. Gott sieht in uns schon das, was er aus uns machen will. Sein Blick macht uns neu. Und so kann uns der Glaube dazu führen, uns selbst und unsere Mitmenschen anders zu sehen. Nicht allzu sehr uns aufzuhalten an Fehlern und Schwächen, sondern unsere Mitmenschen wie Gott zu sehen als seine geliebten Geschöpfe. Gottes Blick schaut in die Tiefe. Er sieht das Elende, das Schwache und das Kleine. Als Menschen, die Gott angesehen hat, soll unser Blick dem seinen folgen. Sehen lernen, wie Gott sieht – das ist der Lernweg unseres Glaubens. Christus gleich werden in seiner Liebe – auch zu den Ungeliebten. Gott will uns neu sehen lehren, dass wir da hinschauen, wo niemand hinschaut. Die Armut und das Elend sollen wir nicht übersehen.

Aber wir sehen hin mit dem Blick der Hoffnung. Dass es anders werden kann. Durch das, was in der Welt ist, sehen wir hindurch auf das, was Gott uns für diese Welt hoffen lehrt. Dass es nicht bleibt, wie es ist. Dass Sein Reich kommt. Und dass wir Teil sein dürfen in diesem Neuwerden. Gott lehrt uns neu sehen. Für dieses Sehen brauchen wir keine optikergeprüfte Sehstärke. Für dieses Sehen gilt, was Saint-Exupéry im „Kleinen Prinzen“ schreibt: „Man sieht nur mit dem Herzen gut, das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar.“

Deshalb gehört schließlich zum Glauben der feste Blick auf Gottes Heil, auf seine Verheißung, die alle Wirklichkeit erblassen lässt. Dieser Blick in Gottes Zukunft stärkt unsere Hoffnung und gibt uns Kraft bei der Bewältigung der Aufgaben, die das Leben uns heute stellt.

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