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EBSW - Wort auf den Weg 1/2010

Liebe Freundinnen und liebe Freunde,

Ostern ist das Geheimnis des Glaubens. Ein Geheimnis ist etwas anderes als ein Rätsel. Ein Rätsel ist dazu da, aufgelöst zu werden. Hat man es gelöst, dann ist es kein Rätsel mehr. Ein Geheimnis können wir nicht auflösen. Wir können uns ihm nähern, darin eindringen, es gelten und wirken lassen. Und es wird immer größer und schöner.

Ich möchte mich heute dem österlichen Geheimnis, der göttlichen Gabe des neuen unvergänglichen Lebens, mittels der Sprache nähern. Hierfür greife ich auf ein Wort Martin Luthers zurück: Wir müssen eine neue Sprache lernen, von Tod und Grab zu reden, dass es nicht „gestorben“ heißt, sondern „auf den zukünftigen Sommer gesät“. Es geht nicht um eine menschliche, irdische Sprache, sondern um eine göttliche und himmlische. Es geht bei der von Luther geforderten Sprache nicht um das, was man landläufig „fromme Sprüche“ nennt. Ich denke, das können wir alle nicht leiden: auf jede Frage gleich eine Antwort wissen, die zwar christlich klingt, womöglich auch Bibelverse zitiert, die aber völlig am Gesprächspartner vorbeigeht.

Es geht unserem Reformator darum, genau hinzuhören und wahrzunehmen, was wir Christen sagen, wenn wir das Wort „gestorben“ aussprechen: Wir nehmen das Ende eines Menschenlebens wahr. Mehr können wir nicht wahrnehmen. Aber Gott kann aus dem Ende Neues reifen und entstehen lassen.

So spreche ich etwa einem Sterbenden das Psalmwort zu: „Der HERR behüte deinen Ausgang und Eingang von nun an bis in Ewigkeit.“

Deinen Ausgang: Dass du dieses unser geliebtes Leben und unsere trotz aller Schrecklichkeiten geliebte alte Welt verlassen musst, das stehe unter dem Geleit Gottes. Mögest du das jetzt erfahren!

Deinen Eingang: Jesus Christus, der Gekreuzigte und Auferstandene, sei im Augenblick des Todes wahrnehmbar bei dir und geleite dich hinüber ins ewige Leben.

Da geht es nicht mehr einfach um Kommen und Gehen.

Beim Abendmahl empfangen wir Brot und Wein und hören die Worte Christi: „Mein Leib und mein Blut zu eurer Rechtfertigung.“ Und wir glauben diesem Wort, verlassen uns darauf: Unser Leben ist mit Christus verbunden. Dein und mein Tod wird nicht mehr sein als Mitsterben mit Christus. Und seine Auferstehung ist nichts weniger als unsere Auferstehung am Ende der Tage. Das Abendmahl ist nicht einfach nur eine Gedächtnisfeier.

Gelegentlich leuchtet durch unsere menschliche Sprache das Geheimnis von Ostern hindurch: nämlich dass uns neues unvergängliches Leben geschenkt ist. Wir können solch neues Leben mit unseren menschlichen Möglichkeiten nicht machen. Uns bleibt nur, dem göttlichen Wort zu vertrauen, es sei so, auch wenn überwältigend viel dagegen spricht. Dann vernehmen wir hie und da etwas von dieser „göttlichen, himmlischen Sprache“.

Es ist wie mit dem Sehen. Ich hatte in der früheren Gemeinde jahrelang Kontakt mit einer extrem sehbehinderten Frau. Da sie für ihr Leben gern las, es aber nicht mehr konnte, ging ich in einiger Regelmäßigkeit zu ihr, um ihr vorzulesen. Mir schien immer, es gibt eine Art von Sehen, die mit dem schwindenden Augenlicht nicht erlischt: das Wahrnehmen von Menschen, ihrer Freuden und Sorgen. Und daraus entsteht wohl ein Bild vor dem inneren Auge, in dem der Mensch, der da abgebildet ist, wesentlich mehr Portraitähnlichkeit entdeckt, als bei dem Bild, das Sehende von ihm haben.

Ich weiß nicht, ob ich einigermaßen die Realität getroffen habe. Aber wenn es so wäre, und es mit dem Sehen schon so ist, dann gilt das ja auch fürs Sprechen. So kann also Ostern auch für uns beginnen: genau hinhören und genau wahrnehmen.

So wünsche ich Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, gute Ostererfahrungen.

Ihr Pfarrer Robert Stratmann

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