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EBSW - Bericht vom Beauftragten- und Ehrenamtstag 2023

Versöhnt leben können

Um Versöhnung ging es bei der Tagung, zu der am 28. Februar nicht nur die für die Sehbehinderten und Blindenseelsorge beauftragten Pfarrerinnen und Pfarrer, sondern auch alle, die ehrenamtlich im EBSW tätig sind, eingeladen waren. Wie kann es gelingen, versöhnt zu leben mit dem eigenen Lebensschicksal? Wie kann es Versöhnung geben im Streit mit anderen Menschen? Und wie kann ich trotz meiner Behinderung versöhnt leben mit Gott?

Manchmal sagen uns Erzählungen mehr als theoretische Betrachtungen. Andreas Chrzanowski, der Leiter der Hildesheimer Blindenmission, verband daher in seinem Referat psychologische Erkenntnisse und theologische Einsichten mit seiner eigenen Lebensgeschichte. Schon als Jugendlicher haderte er mit seiner Körpergröße von 168 cm, weil die Mädchen, in die er sich verliebte, alle etwas größer waren. Dazuhin erblindete er während seines Studiums in Heidelberg, so dass er sein Medizinstudium aufgeben musste. Geholfen habe ihm damals die Beschäftigung mit dem Schicksal seines Großvaters, der mit 14 Jahren seine Familie verlassen musste und während einer Lehre als Buchbinder erblindete. Ohne Rückhalt in seiner Familie war er ganz auf sich gestellt und hatte keinerlei Lebensperspektive mehr. Erst durch die Begegnung mit einer christlichen Jugendgruppe habe er neuen Mut fassen können und hätte eine Ausbildung zum Klavierstimmer begonnen. Auf diesem Gebiet sei er überaus erfolgreich gewesen, und als alter Mann konnte er voller Lob und Dank auf sein Leben zurückblicken.

Die Geschichte des Großvaters hat dem Enkel gezeigt, dass die Versöhnung mit dem eigenen Schicksal meist einen langen Lernprozess darstellt, der aus zwei Elementen besteht: einerseits in dem Entschluss, die Dinge aktiv selbst in die Hand zu nehmen, und andererseits in dem passiven Moment, das eigene Leben – trotz allem – als ein Geschenk anzunehmen.

Aus eigener Erfahrung könne er sagen: Der unversöhnte Zustand kostet unglaublich viel Kraft. Aber die Annahme der eigenen Behinderung braucht Zeit. Es kann ein sehr langer Weg sein mit einzelnen Phasen, ganz ähnlich dem Prozess der Trauer über den Verlust eines geliebten Menschen. Wie können wir dabei helfen?

Wichtig ist sicherlich, in Gesprächen den Druck heraus zu nehmen, d.h. den Gefühlen Raum zu geben, die auf den Schock der ungünstigen Diagnose folgen, und ihnen nicht zu widersprechen. Als Christen können wir zugleich von der Erfahrung erzählen, dass Gott den Weg mitgeht und neue Lebensmöglichkeiten eröffnet.

Eine Beschreibung der Bewältigung des Alltags kann zeigen, welche Fähigkeiten trotz der entstandenen Defizite verblieben sind, ja sich noch verstärkt haben. Eine Forschungsrichtung in den USA fordert sogar, dass Defizite von Betroffenen selbst beschrieben und nicht durch eine von der Gesellschaft festgelegte Norm definiert werden sollen. Blinde und sehbehinderte Menschen sind zwar behindert, aber sie werden oft auch dadurch behindert, dass man ihnen die Fähigkeiten, die sie haben, nicht zutraut. Für den Referenten selbst war das Buch „Das wiedergefundene Licht“ des französischen Autors Jacques Lusseyran hilfreich, der in poetischer Sprache beschreibt, wie sich bei ihm das Hörvermögen entwickelt hat und er deshalb in der französischen Widerstandsbewegung eine wichtige Funktion ausüben konnte.

Auch in der Theologie gibt es seit einigen Jahren verschiedene Versuche, Behinderung nicht vom Leid, sondern von den verbliebenen Fähigkeiten her zu verstehen. Andreas Chrzanowski bezieht sich am liebsten auf das Wort des Paulus, der in 2.Kor 12,10 schreibt: „Wenn ich schwach bin, so bin ich stark.“ Paulus bekennt sich hier offen zu seiner Schwachheit. Aber er empfindet sie gerade als Voraussetzung dafür, dass er Stärke spürt, zwar nicht die eigene Stärke, sondern die Stärke Gottes, der in seiner Güte und Barmherzigkeit in seinem Leben anwesend ist.

Das Thema „Versöhnung“ wurde an den Tischen weiter vertieft durch die Beschäftigung mit vier Fallbeispielen aus der Beratungsarbeit, bei denen Konflikte zur Sprache kamen, die durch die Behinderung eines Familienmitglieds entstanden waren.

Schließlich berichteten Henrike Churr und Peter Beck in eindrücklicher Weise darüber, was ihnen selbst geholfen hat, versöhnt zu leben mit dem Schicksal ihrer Sehbehinderung beziehungsweise ihrer Blindheit.

Eberhard Grötzinger

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