Das Logo des EBSW

Evangelischer
Blinden- und
Sehbehindertendienst
Württemberg e.V.

Internationales Blindenzeichen

EBSW in Punktschrift

Diakonisches Werk Württemberg

Startseite

Kalender

Kontakt

Spenden

Impressum

Datenschutz

EBSW - Interview mit Pfarrerin Beate Schneider

Wichtig und bereichernd

Interview mit Pfarrerin Beate Schneider

Die Fragen stellte Dorothee Hahn.

Dorothee Hahn (D.H.): Frau Schneider, wir freuen uns, dass Sie den Leserinnen und Lesern des „Rundbriefs“ von sich und Ihrer Arbeit als beauftragte Pfarrerin für Sehbehinderten- und Blindenseelsorge im Kirchenbezirk Ludwigsburg erzählen wollen.

Frau Schneider, bitte stellen Sie sich unseren Leserinnen und Lesern vor.

Beate Schneider (B.S.): Seit 2010 bin ich Pfarrerin in der Kirchengemeinde Heutingsheim, einem Stadtteil von Freiberg am Neckar. Nun sind wir seit Januar 2018 eine fusionierte Kirchengemeinde mit Geisingen und Beihingen. Meine Pfarrei oder Parochie, wie man eigentlich sagt, heißt Simon und Judas. Zu meiner Gemeinde gehören rund 2200 Gemeindeglieder. Das ist eine ganz stattliche Zahl, denn im württembergischen Durchschnitt gehören zu einer Gemeinde etwa 1600 - 1800 Menschen.

Vor Heutingsheim teilte ich mir mit meinem Mann eine Stelle in Kirchheim/Teck. Dort lag ein Schwerpunkt meiner Arbeit in der Altenheimseelsorge. So kam ich auch immer wieder in Kontakt mit Menschen, die Einschränkungen haben, auch was das Sehvermögen betrifft.

Und davor war ich drei Jahre lang tätig für das Diakonische Werk und dort mit der Betreuung von FSJ-lern betraut. In diesem Zusammenhang habe ich viele Einrichtungen kennengelernt, auch die Nikolauspflege. Diese Zeit war für mich sehr spannend, weil ich auch Seminare für die jungen Leute gemacht habe, wo wir deren Themen aufgenommen haben, also auch die Arbeit mit Menschen, die mit Einschränkungen leben.

D.H.: Sie haben die Beauftragung für Blinden- und Sehbehindertenseelsorge im Kirchenbezirk Ludwigsburg übernommen. Gab es dafür einen besonderen Grund?

B.S.: Das war eigentlich eine ziemlich spontane Entscheidung. Der „Vorgängerkollege“ hat mich darauf angesprochen, denn ihm war es wichtig, dass dieses Bezirksamt der Seelsorge für Blinde und Sehbehinderte nicht verwaist. Bei dieser Entscheidung konnte ich auch nicht sagen, ich kenne mich mit dieser Sinnesbehinderung besonders gut aus oder habe Vorerfahrungen, sondern es war eher: Das macht mich neugierig, das fände ich interessant.

D.H.: Wie erleben Sie Ihr Amt heute?

B.S.: Als ich bei meiner ersten Beautragtentagung dabei war (jährliche Fortbildungsveranstaltung für Blinden- und Sehbehindertenseelsorger, die der EBSW anbietet), war dieser Tag für mich richtig spannend, weil selber Betroffene berichtet haben, wie es ihnen geht mit ihrer Sehbehinderung oder auch Blindheit. Diese Erfahrungsberichte fand ich sehr berührend. Deutlich war eine Verunsicherung zu spüren: Man traut sich selber nicht mehr raus, man traut sich immer weniger zu, man verliert immer mehr Kontakte nach außen oder nimmt nur noch eingeschränkt wahr, wenn andere Menschen versuchen, Kontakt aufzunehmen oder einen zu unterstützen.

Was von dieser Tagung hängen geblieben ist, ist, dass bei diesen Menschen ein großes Risiko der Vereinsamung gegeben ist. Die Gefahr besteht, dass die Betroffenen sich immer mehr verschließen, dass sie das Gefühl haben, sie werden im Stich gelassen.

Da ist ein Funke übergesprungen und ich dachte, um diese Menschen möchte ich mich kümmern. Es ist mir auch ein Anliegen, das Ganze weiterzutragen. Ich möchte die Kolleginnen und Kollegen sensibilisieren, ihr Augenmerk in ihren Gemeinden auf solche Menschen zu richten.

Bei alten Menschen sehe ich die Gefahr noch deutlicher, dass man sich selber nicht mehr so viel zutraut und auch die Kontaktaufnahme nach außen schwieriger wird. Wo es eher gelingt, ist bei jüngeren Leuten. Die holen sich ihre Informationen aus dem Internet und rufen eher bei der Pfarrerin Schneider an und bitten um ein Gespräch.

Eine zweite Frage ist, haben die Betroffenen noch Kontakt zur Kirche? Holen sie sich Unterstützung von dort oder wenden sie sich gleich woanders hin?

D.H.: Wo begegnen Sie blinden oder sehbehinderten Menschen?

B.S.: Begegnungen finden statt bei den Treffen, über Seelsorge, bei meinen Besuchen in der Gemeinde und bei Gottesdiensten. Vom EBSW habe ich eine Liste mit den Namen und Daten von 15 betroffenen Menschen im Kirchenbezirk Ludwigsburg erhalten. Zu diesen habe ich Kontakt, wenn sie am Bezirkstreffen teilnehmen, das wir einmal im Jahr anbieten. An diesem Treffen nehmen aber auch Menschen teil, die um unseren Bezirk herum leben. Pfarrer Müller vom Kirchenbezirk Marbach und ich machen diese Treffen immer gemeinsam.

Für die Bezirksnachmittage wird im Gemeindebrief geworben und in den Gottesdiensten werden sie abgekündigt. Unser Besuchsdienst ist an diesen Nachmittagen immer dabei. Die Frauen machen dies sehr gerne und weisen mich inzwischen auf Menschen hin, deren Sehkraft stark nachgelassen hat.

D.H.: Was tut speziell Ihre Gemeinde, um die Bedürfnisse von Sehbehinderten umzusetzen?

B.S.: Bei uns ist der Kirchenzugang barrierefrei, weil er ebenerdig ist. Die Stufen zum Altar sind markiert. Ich bin auch mehr und mehr dazu übergegangen, dass ich die Lieder mit den Liednummern ansage. In unserer Gemeinde ist das Bewusstsein schon etwas geschärft für das Thema Sehbehinderung und Blindheit, weil die Bezirksnachmittage hier stattfinden.

D.H.: Möchten Sie uns von einem besonderen Erlebnis im Rahmen Ihrer Tätigkeit erzählen?

B.S.: Vor einigen Jahren haben wir bei einem Bezirksnachmittag in Freiberg eine Kirchenführung gemacht, die mich sehr zum Nachdenken angeregt hat. Wenn ich in eine Kirche komme, gehe ich direkt auf die Sehenswürdigkeiten zu. Unsere Teilnehmer blieben aber gleich im Eingangsbereich stehen und ließen die Eindrücke, die sie wahrnehmen konnten, auf sich wirken. Ganz langsam haben wir uns dann durch den Kirchenraum zum Altar vorgearbeitet. Offensichtlich haben diese Menschen ein ganz anderes Raumempfinden als wir Sehenden. Für mich war diese Erfahrung sehr lehrreich und bereichernd, dass die Wirklichkeit auch ganz anders wahrgenommen werden kann.

D.H.: Liebe Frau Schneider, haben Sie herzlichen Dank für das Gespräch.

Anmerkung: In jedem Dekanat bittet der Dekan die Pfarrerinnen und Pfarrer, ein Bezirksamt zu übernehmen. Solche Ämter gibt es z.B. für Ökumene, für das Gustav-Adolf-Werk, für Kirchenmusik und auch für Blinden- und Sehbehindertenseelsorge. Ob ein Amt besetzt wird, hängt davon ab, ob sich eine Bewerberin oder ein Bewerber dafür findet.

nach oben

© 2014 by EBSW | Zuletzt geändert am: 24.5.2023