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EBSW - Vortrag Dr. Hahn beim Fachtag am 05.04.2019

„Allein – einsam – isoliert?“

Die besonderen Erfahrungen, die blinde und stark sehbehinderte Menschen machen, waren Gegenstand des Referats von Dr. Eberhard Hahn. Er stellte seine Ausführungen unter das Thema „Allein – einsam – isoliert?“ Die Grundgedanken seines Vortrags fasst Dr. Eberhard Grötzinger hier zusammen.

Allein zu sein ist nicht von vornherein etwas Negatives. Es kann durchaus erwünscht sein. Isoliert zu sein kann sogar notwendig sein, z.B. auf der Isolierstation eines Krankenhauses, oder es ist selbst gewollt, z.B. wenn man mit anderen Leuten nichts zu tun haben will. Aber sowohl Allein-sein als auch Isoliert-sein kann zu Einsamkeit führen, d.h. zu einem Gefühl, unter dem blinde und sehbehinderte Menschen besonders oft leiden.

Dabei ist die Situation bei starker Sehbehinderung und bei Blindheit insofern verschieden, als bei Blindheit größere Klarheit über den Grad der Behinderung herrscht, während viele Sehbehinderte unter der schleichenden Verschlechterung ihres Sehvermögens leiden und der Grad ihrer Behinderung von Anderen nicht ohne Weiteres wahrgenommen wird.

Behinderung setzt Grenzen

Behinderte sind natürlich „Menschen wie du und ich“. Sie unterscheiden sich aber von anderen Menschen durch ein Defizit, z.B. nicht oder nur schlecht sehen oder hören zu können. Mit einem solchen Defizit umzugehen, bedeutet sowohl für die Betroffenen selbst als auch für ihre Mitmenschen eine besondere Herausforderung. Sie zu bewältigen kostet allemal Kraft. Und diese Kraft steht nicht allen in gleicher Weise zur Verfügung.

Blinde und stark sehbehinderte Menschen können vieles nicht tun, was für andere selbstverständlich ist. Sie können sich in fremder Umgebung nicht frei bewegen. Sie können nicht Auto oder Fahrrad fahren, die Schönheit einer Landschaft so genießen, wie es Sehenden möglich ist, Bücher lesen oder Kunstwerke betrachten. Dieses Defizit wird bei einer fortschreitenden Erblindung besonders schmerzlich wahrgenommen.

Für das Zusammenleben mit anderen Menschen bedeutet dies, dass sehbehinderte und blinde Personen mehr und mehr auf Hilfe angewiesen sind: unterwegs zu Fuß, beim Einkauf, besonders beim Einkauf und der Pflege von Kleidung, bei der Hausarbeit, beim Essen oder beim Gang zur Toilette. Überall setzt die Behinderung dem Verhalten im Alltag Grenzen. Im Gespräch kann man die Mimik und Gestik des Gegenübers nicht mehr erkennen. Man wird als arrogant angesehen, wenn man Bekannte auf der Straße nicht mehr grüßt. Dabei hat man sie nur nicht erkannt. Und manchmal wird man im Gespräch gar nicht mehr selber, sondern nur über die begleitende Person angesprochen (nach dem Motto: „Hat Ihr Mann Hunger?“). So ist es kein Wunder, dass sehbehinderte oder blinde Personen auf Grund dieser Schwierigkeiten in der Gefahr sind, sich zurückzuziehen und zu vereinsamen.

Um Hilfe zu bitten, will gelernt sein. Es setzt das Eingeständnis der eigenen Hilfsbedürftigkeit voraus und ist oft auch mit Frustrationen verbunden, wenn man nicht die Hilfe bekommt, die man gerade braucht. Selbst in einer Familie oder in einer Partnerschaft kann die eigene Behinderung zur Belastung werden. Der Partner wird durch sie ja unwillkürlich in die Pflicht genommen. Er oder sie schränkt sich selber ein und kann unter Umständen die permanente Einschränkung auf Dauer nicht aushalten.

Schließlich kann es sein, dass man sich, um für andere keine Belastung zu sein oder um weitere Frustrationen zu vermeiden, von den Anderen zurückzieht, sich in seiner eigenen Einsamkeit ganz gut einrichtet und gar nicht mehr den Kontakt sucht. Dann wird Einsamkeit zu einer Art Schonhaltung, die aber auf lange Sicht nicht guttut.

Was tun gegen Einsamkeit?

Wenn man im Nachdenken über die eigene desolate Situation gefangen ist, ohne aus dem ständigen Grübeln herauszufinden, dann ist es gut, seine Gedanken aufzuschreiben oder auf Tonträger aufzusprechen. Wer zunehmend erblindet, sollte sich über die vielen technischen Hilfsmittel orientieren, die Betroffenen den Alltag erleichtern. Manchmal ist es auch gut, noch etwas Neues zu lernen, z.B. die Blindenschrift.

„Riskieren wir etwas! Halten wir den Kontakt zu alten Freunden übers Telefon! Wagen wir es, um Hilfe zu bitten!“ Gerade junge Leute sind oft sehr hilfsbereit. Empfehlenswert ist es, als Fußgänger auf jeden Fall den Langstock einzusetzen, weil man sich dadurch als sehbehindert kenntlich macht. „Setzen wir verstärkt die Sinne ein, die uns noch verblieben sind, z.B. das Hören, und sprechen wir mit Anderen über unsere Eindrücke! Lassen wir uns von Sehenden beschreiben, was sie sehen! Gehen wir mit der Befangenheit und möglicher Ungeschicklichkeit uns gegenüber gelassen um! Und pflegen wir, so gut es geht, die Gemeinschaft mit uns sympathischen Menschen“, so der Appell des Referenten.

Was können andere tun, um der Einsamkeit sehbehinderter und blinder Menschen entgegenzuwirken? Man kann z.B. Hilfe anbieten beim Einkaufen oder als Begleitung beim Besuch von Veranstaltungen. Man sollte bei zufälligen Begegnungen auf der Straße sich mit Namen vorstellen, damit der Betroffene weiß, mit wem er es zu tun hat. Hilfreich sind im öffentlichen Raum Leitstreifen an Haltestellen, blindengerechte Ampeln an Übergängen und markierte Treppenstufen. In einer Kirchengemeinde könnte man Betroffene zum Gottesdienst abholen und ihnen vorher die Lieder mitteilen, die gesungen werden sollen. Der Gemeindebrief sollte in einer kontrastreichen Schrift gedruckt werden. Was immer man in einer Kommune oder einer Kirchengemeinde plant, um der Einsamkeit sehbehinderter und blinder Menschen entgegenzuwirken, es sollte nach dem Grundsatz geschehen „Nichts über uns ohne uns“, oder positiv formuliert: „wir Betroffene sollten von vornherein in die Planung mit einbezogen werden“.

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